Arbeiten damit und
dagegen
Tilman Baumgärtel 17.08.1997
Interview mit Jordan Crandall
Das folgende Interview
wurde bei der Eröffnung der documenta X innerhalb der Installation
"suspension vehicle RF-7600" geführt. Zu diesem Zeitpunkt hatte
Jordan Crandall schon fast zwei Tage leicht schwitzend zwischen
den vier Videobeamern gestanden, die Weisses an die Wände warfen,
wo es zum Teil von Metallspiegeln reflektiert wurde. Die verschiedenen
Lichtquellen überscheiden sich in flimmernden Interferenzen, die
Besucher werfen verschiedenfarbige Schatten an die Wand. Trotz Jet
Lag und leicht erhöhter Raumtemperatur sprach Crandall nicht nur
über seine aktuelle Arbeit, sondern erinnerte sich auch an frühere
Online-projekte bei der Kunstmailbox The Thing und mit einer selbst
programmierten MUD Object Oriented (MOO).
Tilman
Baumgärtel: Du hast schon zu einer Zeit,
als nur wenige Künstler in Computernetzwerken gearbeitet haben,
mit der Kunstmailbox The Thing zu tun gehabt. Kannst Du sagen, was
Dich daran interessiert hat?
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Jordan Crandall:
Wolfgang Staehle hat mich 1991 eingeladen,
bei The Thing mitzumachen. Damals wußte ich noch nicht
viel darüber. Ich habe seit 1990 "Blast"
gemacht, und hatte dadurch viel mit Systemen für Austausch
und Kommunikation zu tun. Ich hatte "Blast" als ein
Netzwerk von verschiedenen diskursive Praxen strukturiert, die
sich miteinander überkreuzten und die ich auf irgendeine
Art koordinieren mußte. Dazu mußten Faxe und Briefe
geschrieben werden, es war also noch sehr materiell orientiert.
Die Idee, das ganze in ein neues System zu verlagen, lag daher
nahe. |
Ist "Blast"
eine Zeitschrift?
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Eine Zeitschrift und eine Kunstedition. Wir laden Leute ein,
Projekte einzureichen, die zu der Struktur passen, die ein Redaktionsbeirat
festgelegt hat, und der Inhalt von "Blast" entstand
aus dieser Art von Interaktion. Veranstaltet wird das von der
X- Art Foundation. Das ist die Organisation, die ich 1990
gegründet hatte. "Blast" begann als eine Schachtel
mit gedrucktem Material, schloß aber bald auch Objekte,
Sound Pieces und Performance-artige Projekte mit ein, die dort
nach ihrer Aufführung dokumentiert wurden. Es ging auch
darum, bestimmte Publikationsformen zu problematisieren. Später
gehörten dazu auch Internetprojekte. Das hat schließlich
soweit die Grenzen überschritten, daß es zum Schluß
überhaupt keinen Behälter und keine Schachtel mehr
gab. |
Das klingt ein
bißchen wie eine eigene Galerie in einer Schachtel. War das
auch eine Methode, um den Kunstbetrieb zu umgehen?
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Genau, denn wir konnten es über
Buchhandlungen, Gallerien oder auch direkt vertreiben. Es war
eine Methode, den Kunstbetrieb zu umgehen, aber gleichzeitig
funktionierte es auch innerhalb des Kunstbetriebs, es konnte
sehr leicht vereinnahmt werden. "Blast" war als eine
Methode gedacht, um interdisziplinäre Projekte zu entwickeln,
die ihr eigenes Vertriebssystem hatten. Es bewegte sich außerhalb
traditioneller Kunstpraxen, aber gleichzeitig versuchten wir,
die Vorstellungen von Kunst von innen heraus zu verändern.
Wir wollten Leute mit einbeziehen, die nichts mit Kunst zu tun
hatten, die zum Beispiel im Bereich der Cultural Studies oder
Leute, die mit neuen Technologien arbeiteten.
Die "Blast"-Schachteln waren tragbar, und dadurch
konnte man sie herumschicken, und das erweiterte natürlich
den Ausstellungsraum. Man konnte es auch für jemand persönlich
zurechtmachen, und dadurch wurde auch die Person, die es bekam,
in diesen Prozeß eingebunden. Dadurch experimentierten
wir auch mit kollektiven Arbeitsmethoden.
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Das war zur Hochzeit
der "institutional critique", und damals versuchten viele
Künstler, sich am Kunstbetrieb vorbeizumanövrieren. Hast
Du Dich darauf bezogen?
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Darauf beziehe ich mich eigentlich
heute viel stärker. "Blast" war so ein später
Ausläufer der "institutional critique". Damals
waren viele dieser Arbieten sehr stark auf das Kunstsystem und
seine Institutionen ausgerichtet, die aber schon viel von ihrer
Macht verloren hatten. Für mich hatte sich der Gegenstand
der Kritik hin zu technologischen Institutionen verschoben.
Das waren viel mächtigere Gegenstände, mit denen und
gegen die man arbeiten konnte. |
Hattest Du schon
einen Computer, bevor Du bei The Thing angefangen hast?
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Ich hatte einen kleinen Laptop ohne Festplatte. Ich war übrigens
gar nicht gut, als ich damit anfing. Aber die Probleme mit der
Hardware führen auch wieder zu künstlerischen Untersuchungen
dieser Technologie. |
Wolfgang Staehle,
einer der Gründer von The Thing, hat mir erzählt, daß
Du ein Symposium mit dem Titel "Transactivism" inherhalb
der Mailbox gemacht hat. Worum ging es da?
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Es ging um eine künstlerische Praxis, die
von Transaktionen und sozialer Interaktion handelte. Ich dachte
über eine Form des Aktivismus nach, die nicht auf einen
fixierten Gegner ausgerichtet war, "das hier gegen das"... |
"Wir gegen
den Kunstmarkt..."
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Genau, aus so einer Aktivistenhaltung
heraus bist Du immer in dieser festgeschriebenen Position: "Du
bist gegen..." Bei einer "transaktivistischen"
Haltung geht es eher darum, die Art und Weise, wie du dich in
bestimmten Situationen selbst lokalisierst, in Frage zu stellen. |
Wie funktionierte
dieses "Transactivism" Projekt praktisch? War das ein
Brett innerhalb von The Thing?
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Ja, ein Diskussionsforum. Wir
luden bestimmte Leute ein, um daran teilzunehmen, und organisierten
mit ihnen eine Diskussion. Dazu gehörten unter anderem
Morgan Garwood, Pit Schultz, Wolfgang Staehle, Rainer Ganahl,
Laura Trippi, Jeff Schulz, und ... wie war doch gleich ihr Name?
Ich wußte nie ihren richtigen Namen eigentlich nie, obwohl
sie eine der aktivsten Teilnehmer war. Ihr Online-Spitzname
war "Brattyslavia". |
Hätte man
dieselbe Konferenz auch im "richtigen Leben" machen können?
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Nein. So wurde es viel mehr ein
Teil deines Lebens und deines Denkens, weil man daran teilnehmen
konnte, ohne sich irgendwo hinzusetzen und über alles auf
einmal nachzudenken. Das Ganze lief über zwei Monate. Dadurch
hatte man mehr Zeit, seine Ideen zu formulieren. Außerdem
gab es diese ganzen Körpercodes nicht, weswegen sich die
Leute oft mißverstanden. Bei der Online-Kommunikation
projiziert man leichter etwas in andere Leute hinein und man
macht sich von einer bestimmten Person auch eine andere Vorstellung.
Es gab damals eine Menge Auseinandersetzungen darüber,
wie dieses Forum angelegt sein sollte, ob es ein akademischer
Diskurs sein sollte, oder eher ein Herumexperimentieren in
diesem neuen Medium. Ich erinnere mich, daß Laura und
Jeffrey mit verschiedenen Gesprächsformen herumspielten,
die für das BBS-Format spezifisch war. Ich habe mich
über sie aufgeregt, weil sie nicht "über das
Thema diskutierten". Wenn ich es mir heute überlege,
denke ich, daß sie eigentlich mit den Themen herumgespielt
und sich in ihnen bewegt haben, statt nur über sie zu
diskutieren.
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Du warst der Gastgeber
dieses Forums. Wie hast Du das moderiert?
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Ein paar Mal habe ich einige
Leute gerügt, weil ich fand, daß die ganze Diskussion
außer Rand und Band geriet und man etwas dagegen tun müßte.
Daraus habe ich wirklich gelernt, denn danach verschwanden alle
weiteren Diskussionen in privaten Emails. Niemand postete mehr,
und plötzlich war das ganz Forum tot. |
Glaubst Du, daß
es eine soziale Dynamik gibt, die für dieses Medium spezifisch
ist?
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Ja, weil alles viel angriffslustiger
herauskommt, als in einer Unterhaltung. Wenn Du mit jemandem
sprichst, gibt es alle diese sozialen Abfederungen. Wenn Du
etwas in einer Email sagst, kann es manchmal als viel schroffer
und beleidigender wirken. |
Ich habe mir die
Blast Website angesehen, und dabei diese MOO-Welt entdeckt (telnet
hero.village.virginia.edu 7777). Soviel ich weiß, ist das
die einzige MOO, die als Kunstprojekt entwickelt worden ist. Während
dieses "Transactivism"-Forum über eine längere
Zeit gegangen ist und die Leute Zeit hatten, ihre Ideen zu formulieren,
findet ein MOO in Echtzeit statt. Wie hat das die Art der Interaktion
verändert, die Online stattfand?
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Zu dieser Zeit ging es darum,
mit diesen Systemen zu arbeiten, statt nur über sie zu
reden. In einer MOO findet normalerweise nicht so viel "substantielle"
Unterhaltung statt. Es sind eher kurze Witze und Sätze.
Es ist viel interessanter, sich die soziale Dynamik anzusehen,
und wie die Art und Weise, in der sich die Leute diskursiv positionieren,
den Raum bestimmt. Dazu gehört auch die Art, wie die Leute
miteinander interagieren, zum Beispiel wie sie ihr Geschlecht
oder ihr außeres Erscheinungsbild bestimmen. Da wird eine
Menge substantieller Arbeit geleistet, aber es ist viel performativer
als in einer Online- Diskussion in einer Mailbox. Man kann einfach
nicht darüber reden, man muß es tun. |
Das klingt ein
bißchen abstrakt. Könntest Du ein Beispiel dafür
geben, was in dieser MOO vorging?
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Es ist wie ein Theaterstück,
bei dem man selbst einer der Darsteller ist. Man hat Textzeilen
auf dem Monitor, die beschreiben, was die Leute in der MOO tun,
wie zum Beispiel "Diese Person lacht", "der winkt",
"die sagt das und das". Außerdem gibt es eine
Beschreibung der Umgebung. Dadurch wirkt es wie in einem Filmskript,
und die Teilnehmer, die sich von überall her eingeloggt
haben, generieren ihren eigenen Part in Echtzeit. |
Das klingt ein
bißchen wie eine Art computerisiertes Happening. Der große
Unterschied ist allerdings, daß der Künstler bei den
Happenings der sechziger Jahre eine Situation schaffte, auf die
das Publikum reagieren sollte, während bei der MOO nur eine
Plattform ohne jede Vorgabe da ist. Ich habe den Eindruck, daß
die Sachen, die da passiert sind, ein kollektiver Prozeß waren,
der vielleicht auch ohne den Eingriff eines Künstlers stattgefunden
hätten...
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Nein, denn man kann bei MOOs
ganz bestimmte Arten von Erlebnissen programmieren, und dadurch
auf die Art, wie die Leute sich bewegen und wie sie aussehen,
Einfluß nehmen. "Shark" hat zum Beispiel eine
Arbeit mit dem Titel "The Sensous Sea" (Die Sinnliche
See) programmiert, bei der man durch eine Wand aus Wasser tauchte
und so eine Unterwasserwelt erforschen konnte. Das ist alles
über den Text vermittelt. Man gibt Befehle ein, um in bestimmte
Richtungen zu gehen und bestimmte Dinge zu erleben. Ein anderer
Teilnehmer hatte diesen "Transport Cube" (Transportwürfel),
den man betreten konnte und der einen zu verschiedenen Teilen
der MOO brachte. Eine andere Arbeit bestand aus virtuellen Kleidungsstücken,
die die Art, wie einen die anderen Leute in der MOO sahen, beeinflußten.
Man kann auch eine ganze Umgebung so programmieren, daß
sie morpht und sich verändert. Wenn man den Raum betrat,
aus dem eine weitere Arbeit bestand, wurde alles, was du sagtest,
abstrahiert. Dadurch redete man nur Unfug, und konnte nichts
Sinnvolles sagen. |
Habt Ihr das in
einer Galerie gezeigt?
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Wir haben 1994 ein Blast-Büro
und eine Galerie in der MOO als Teil der Ausstellung "Blast4:
Bioinformatica" in der Sandra Gering Gallery in New
York gemacht. In der Galerie haben wir fertige Projekte präsentiert,
und in das Büro haben wir Leute für diverse Diskussionen
eingeladen. Es gab eine Verbindung zwischen dem physischen Galerieraum
und dem Galerieraum in der MOO. Es gab zum Beispiel Projekte,
bei denen ein Teil gedrucktes Material war und Teile Online
waren. Oder sie fanden komplett in der MOO statt.
Es gab ein Interface, das an die Wand der Galerie projiziert
wurde, und eine Computerstation, so daß man zwischen
Galerie und Online Galerie kommunzieren konnte. Die Leute
in der Galerie loggten sich mit dem Teilnehmernamen "Collective
Subject" ein. Einige der Leute in der MOO haben verstanden,
daß dieser Teilnehmer in Wirklichkeit ein Platzhalter
für verschiedene Leute war, die sich woanders gemeinsam
an einem physischen Ort aufhielten.
Dieses Fenster zwischen der physischen Gallery und der MOO
war immer offen. Dadurch gab es eine Menge Kommunikation,
die hin und her ging. Manchmal gab es großartige Übereinstimmungen
und Überschneidungen, und manchmal waren die Verhältnisse
so verschieden, daß es überhaupt keine Kommunikaiton
gab.
Einige der Leute aus der MOO kamen auch in die wirkliche
Galerie. Unter MOO-Leuten wurde es eine richtig berühmte
Ausstellung. Da kamen Familien, die ein Leben in der MOO jenseits
ihres normalen Familienlebens hatten. Seit das WorldWideWeb
so erfolgreich ist, wird nicht mehr viel über MOOs geredet.
Dabei ist es fantastisch, sie zu erkunden, weil es soziale
Räume sind. Die Leute verkörpern sich selbst, und
sie arbeiten mit Körperformen, und sie erfinden neue
Geschlechter und neue Arten von Beziehungen. MOOs sind ein
sehr wichtiger Teil des Internet.
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Hätte man
dasselbe auch in einem IRC machen können?
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Nein, denn diese Chats sind viel
stärker entkörperlicht. Das Tolle an der MOO ist,
daß es bei ihnen darum geht, einen richtigen Charakter
zu verkörpern, statt nur ein redender Kopf zu sein. Und
man schafft mit den programmierten Objekten wirklich eine räumliche
Gemeinschaft. |
Diese MOO scheint
jetzt tot zu sein. Ich habe sie mir vor ein paar Tagen angesehen,
und da ist nichts mehr los...
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Wenn man diese Art von Gemeinschaft
auf die nächste Ebene heben wollte, müßte man
eher visuelle oder dreidimensionale Räume schaffen, zum
Beispiel in VRML (Virtual Reality Modelling Language). Aber
diese sozialen VRML-Umgebungen sind ziemlich merkwürdig.
Ich hätte meine Schwierigkeiten damit, mich mit einem redenden
Löffel zu unterhalten. Das ist zu sehr wie in einem Computerspiel. |
Ist es für
Deine Arbeit wichtig, daß die Dinge, die Du tust auch eine
Verbindung zum physischen Raum haben?
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Ja, absolut. Ich sehe das Internet
als ein Netzwerk von Vektoren, die sich materialisieren. Es
hat einen großen Einfluß auf sich neu entwickelnde
materielle Formen und der Rekonfiguration von bereits existierenden
Formen. Die Leute reden von der Entkörperlichung im Netz,
und ich habe keine Ahnung, wovon sie eigentlich reden. Ich finde
es im Gegenteil sehr *ver*körperlichend. Ich finde es interessant
zu sehen, wie die technologischen Entwicklungen unseren alltäglichen
Rhythmus und Tätigkeiten beeinflußen.
Jetzt haben die Leute alle diese kleinen Apparate. Das documenta
Team, zum Beispiel, die haben alle diese Handys. Sie kommunizieren
ununterbrochen, und manchmal kann man mit denen keine fünf
Minuten ohne Unterbrechung reden. So bald das Telefon von
jemand klingelt, springen alle hoch, weil sie denken, daß
der Anruf für sie sei. Das ist ein Beispiel für
die technologischen Rhythmen, die die Art, wie wir uns bewegen,
beeinflußen, oder wie wir den Raum strukturieren, unsere
Körper halten, unsere Beziehungen pflegen. Diese Art
von Gang und Tätigkeit ist in technologischen Systemen
eingebettet, und die sind Teil eines größeren Apparates.
|
Deine Arbeit bei
der documenta besteht aus einer Reihe von Videoprojektoren, die
Licht an die Wände werfen, kleine Spiegel reflektieren dieses
Licht. Ist das der technologische Apparat, von dem Du sprichst?
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Naja, das ist die Hardware, aber
das bezieht sich auf größere Systeme. Ich sehe das
in einem größeren Zusammenhang, als Technologien
der Repräsentation, die bestimmte Arten von Aktivitäten
auslösen und codieren. |
Du hast jetzt
zwei Tagen in diesem Raum gestanden. Wie beeinflußt dieses
Environment die Art und Weise, wie sich die Leute durch den Raum
bewegen?
|
Ich war selbst neugierig wie
die Arbeit durch die Besucher aktiviert werden würde. Oft
bewegen sich Menschen in einer sehr vorhersehbaren Art und Weise
durch einen bestimmten Raum. Hier ist das ganz anders. Einige
Besucher haben gesagt, daß es wie ein öffentlichtlicher
Platz ist. Das hat mich sehr gefreut. |
Diese flackernden
Überlagerungen zwischen den verschiedenen Lichtquellen kommen
mir sehr "techno" vor. Glaubst Du, daß sich die
Mehrheit der Besucher an diese Art von "virtuellem Licht"
als normal gewöhnt hat?
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Ich weiß nicht; ich finde
es hier drin recht angenehm. Mir geht es hier auch um technologische
Modifikationen, die schon fast chirurgisch sind. Ich betrachte
sie nicht als Entfremdung, weil sie schon so sehr Teil unseres
alltäglichen Lebens geworden sind. Aber ich wollte eine
visuellen Überlastung vermeiden, und mich stattdessen auf
Bewegung und Orientierung konzentrieren. |
Es gibt in diesem
Raum eine schnurlose Maus, mit der man sich durch einen VRML-Raum
manövrieren kann, der an die Wand projiziert wird. Ist das
eine Methode, um diesen physischen Raum hier zum "virtuelle
Raum" des Internet zu öffnen?
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Die VRML-Site ist enträumlicht,
gerendert. Ich wollte damit einen Raum schaffen, der zweiformatig
ist, eine unaufgelöste Vielheit. |
Was ich an diesen
VRML Räumen so interessant finde, ist, daß sie vollkommen
auf der Renaissance Perspektive basieren. Wo immer man in diesen
Enviroments sieht, man schaut immer auf einen Fluchtpunkt.
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Ja, das ist das Problem mit VRML.
Ich arbeite hier sogar mit dieser Renaissance Perspektive, indem
ich mich auf die traditionellen Methoden der Wandmalerie beziehe.
Man hat die Wahl, ob man illusionistisch den Raum vergrößern
will, oder ob man darauf aufmerksam machen will, wie Raum repräsentiert
wird. Der Ort, von dem aus man sieht, war früher eine sehr
politische Frage. Ganze Ortschaften wurden mobilisiert, wenn
es darum ging, den Blickpunkt zu bestimmen. Die spiegelnden
Vorrichtungen beziehen sich auf die Vielzahl der möglichen
Blickrichtungen des Betrachters. |
Ist die Website
auf dem documenta-Server eine Erweiterung dieses physischen Raums
oder eine eigene Arbeit?
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Sowohl als auch. Auf der Website
wirst Du zwischen dem Raum und den Figurationen durch die "rhythmische
Einrichtungen" hin und her geworfen. Es gibt auch ein Buch,
in dem sich ebenfalls diese Figurationen befinden. Diese Figurationen
sind psychologische Mechanismen. Es gibt Schemata von Aktivitäten,
die künstlich hergestellt sind. Hier in diesem Raum sieht
man sie nicht.
Was ich mit damit zeigen wollte, ist, wie diese Schemata
und Rhythmen unser tägliches Leben beeinflußen.
Unsere Sprache bezieht sich in zunehmendem Maße auf
diese technologische Geschwindigkeit. Neulich habe ich ein
Interview in der Zeitschrift "Working Mother" gelesen,
wo eine Frau davon sprach, daß sie ihre "Auszeit
effektiver nutze" (maximizing downtime). Das ist wie
aus einem Trainingshandbuch. Die Sachen, die die Leute wieder
und wieder tun, sind immer stärker an die Geschwindigkeit
von technologischen Systemen gebunden. Man kann das als technologische
Berechnung auffassen. Wenn man die Sachen, die man wiederholt
tut, in Verbindung mit Code- Strukturen setzt, sieht man bestimmte
Verbindungen, die ich erforschen will. Das ist auch eine Methode,
um Aufmerksamkeit dafür und Widerstand dagegen zu erzeugen,
denn diese Vektoren sind sehr starke Mechanismen, die dich
dazu bringen, Dich auf eine bestimmte Art und Weise zu benehmen.
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